Bis zum Sommer 2021 werden wir regelmäßig die Gemeinderatssitzungen besuchen. Wir wollen unsere Stadträtin Maria Mena unterstützen und uns ein eigenes Bild der Gemeinderatsarbeit machen. Der Anfang wurde mit der Sitzung am 02.01.21 gemacht – und wir haben noch viel zu lernen!
Gemeinderat in Corona-Zeiten
Vergeblich haben wir einen Link zu einem Live-Stream des Gemeinderats für die interessierte Öffentlichkeit gesucht. Unsere Recherche hat ergeben, dass bis heute keine neue Regelung für ein Streaming-Angebot gefunden wurde. Bereits im Mai 2020 wurde darüber gesprochen, im Februar 2021 noch keine Lösung in Sicht. Will man an den Gemeinderatssitzungen teilnehmen, muss man alle Anweisungen aus der Politik und alle eigenen Regeln über Bord werfen und sich für mehrere Stunden in einen Raum mit vielen Personen setzen. Für uns absolut unverständlich und widersprüchlich! Nach langem Abwägen haben wir es dennoch gemacht. In der Sitzung haben wir erfahren, dass sehr wohl ein interner Stream zu Verfügung steht – aber eben nicht für die Freiburger Bürgerinnen und Bürger. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf! Denn politische Partizipation muss zugänglich sein – höhere Barrieren für politische Teilhabe können in diesen Zeiten wohl kaum errichtet werden.
Alles braucht seine Zeit – ein Besuch der Gemeinderatssitzung umso mehr
Zweite Erkenntnis: Man sollte keine anderen Termine mehr haben, wenn man vorhat, eine Gemeinderatssitzung zu besuchen. Der Beginn des öffentlichen Teils wurde auf 16 Uhr verschoben, 18.30 Uhr mussten wir wegen anderen Terminen die Sitzung verlassen, das offizielle Ende war dann weit später. Wir haben uns auch die Fragen gestellt, ob man als Bürger*in am GMR teilnehmen kann auch nach 20 Uhr, wenn laut Coronaverordung eine Ausgangssperre gibt.
Wie schön wäre es gewesen, sich „nur“ die politischen Debatten herauszusuchen, statt bei allen (mit Sicherheit notwendigen!) Formalitäten dabei zu sein. Auch das spricht für eine Video-Übertragung der Sitzungen. Denn während der Sitzung kann/soll man als Bürger*in ohnehin keinen Einfluss nehmen – auch soll man Gesagtes nicht bewerten, stille Zuhörer*innen sind gefragt – Applaus und ähnliches ist unerwünscht. Eine Video-Übertragung würde den Vorteil bieten, präferierte Themen gezielt in den Blick zu nehmen.
Störungen nehmen sich den Vorrang: Das Gehabe der AfD
Wir haben uns schon von vielen Seiten berichten lassen, wie die AfD im Gemeinderat auftritt. Und wir sind uns sicher: Das war weit entfernt von vergangenen Ausfällen. Gleichwohl war es erschütternd, die perfide Störungs-Strategie live mitzuerleben, die darauf abzielt, die demokratische Grundstimmung zu zerstören. Mit Erleichterung haben wir den konsequenten Umgang der anderen Gemeinderatsmitglieder damit erlebt. Reden über Antidiskriminierung aus dem Mund der AfD ertragen zu müssen – eine Horror-Vorstellung. Das können und müssen die Freiburger Bürger*innen bei der nächsten Kommunalwahl ändern: In der Freiburger Kommunalpolitik darf kein Platz (auch im wörtlichen Sinne) für demokratiefeindliche und rechtsradikale Positionen sein!
Und zurück zum Inhalt
Welche Entscheidungen haben wir mitverfolgen können? Nach einer erneuten Vorstellungsrunde drei Kandidierender für die Nachfolge von Frau Bürgermeisterin Stuchlik hat der Gemeinderat die Besetzung mit Christine Buchheit mit großer Mehrheit beschlossen. Ohne Debatte wurde u. a. die Einrichtung eines Wirtschaftsausschusses, die Umbenennung einer Straße in Tel-Aviv-Allee und die Aussetzung der Gebühren für Kitas, Tagespflege, Schulen und Horte für Januar 2021 beschlossen. Die Informationslage zur digitalen Infrastruktur in der Stadt Freiburg wurde vom Gemeinderat zur Kenntnis genommen, der TOP zur Chancengleichheit für Frauen in Freiburg auf den 02.03.21 vertagt.
Mit Debatte wurden der kommunale Antidiskriminierungsbericht und der Grundsatzbeschluss zu einer Gemeinschaftsschule im neuen Stadtteil Dietenbach verabschiedet – zwei wegweisende Schritte für Freiburg! Besonders positiv hervorgehoben wurde die erzielte vertragliche Einigung zwischen der Stadt Freiburg und Vonovia zum Auggener Weg 2-6 – der Vertrag kann mit Beschluss des Gemeinderats unterschrieben werden. Besonders wichtig fanden wir hier, dass die hohe Bedeutung der Quartiersarbeit (Forum Weingarten) und der Selbstorganisation der Mieter*innen hervorgehoben wurden, ohne die dieses Ergebnis nicht hätte erzielt werden können. Bei der Verlängerung des Mietvertrags des Dreisamstadions waren wir leider nicht mehr anwesend, berichten über das Ergebnis aber soei das Sitzungsprotokoll vorhanden ist.
Unser Fazit
Der Besuch von Gemeinderatssitzungen braucht viel Zeit. Sowohl, um sich durch die in unserem Fall 831 Seiten zur Vorbereitung zu lesen, als auch um die Sitzung zu verfolgen. Dennoch wurde vieles eigentlich schon vorher diskutiert und besprochen, die Reden veranschaulichen die Positionen, nehmen aber kaum direkten Einfluss. Trotzdem bekommt man einen guten Einblick in die Debatten und die – für uns auch teils überraschenden – Positionierungen der jeweiligen Fraktionsgemeinschaften.
Unser Fazit: Gut, dass wir ab sofort die Gemeinderatssitzungen besuchen werden – hoffentlich in Zukunft digital!